letzte Aktualisierung:
Auf dem Schrottplatz
=================
Es war ein Tag wie viele andere, ein Donnerstag Nachmittag im August um genau zu sein.
Die Sonne brannte heiß vom vom Himmel, aber eine laue Brise sorgte für angenehme Temperaturen überall.
Der Mann trug pechschwarze Jeans und ein ebenso schwarzes T-Shirt, als er mit seinem ausgebauten Ersatzteil
von den unendlichen Weiten des Schrottplatzes in die Lagerhalle kam, in der auch die Kassen standen.
Es war gerade wenig los, ein Mann bediente am Tresen einen älteren Herren ein anderer Mitarbeiter stand
an der einzigen geöffneten Kasse und wartete mit einem Blick der auf die Unendlichkeit eingestellt zu sein schien
auf Kundschaft. Der Mann in Schwarz legte sein Ersatzteil auf den Tresen und sah den Kassierer mit einem
fragenden Blick an. Dieser kratzte sich kurz am Dreitagesbart und meinte dann:
"Hmmm... Na, dafür nehme ich mal zehn Euro."
Der Mann in Schwarz zückte sein Portemonnaie und holte einen Zehner heraus.
Bevor er diesen jedoch überreichte fragte er: "Ich habe gesehen das es davon zwei verschiedene Ausführungen
gibt, das eine ist etwas größer als das andere. Ich werde gleich mal ausprobieren ob ich mir das richtige gegriffen habe.
Wenn nicht, soll ich dann zu Ihnen kommen, oder...?"
Die Miene des Kassierers verfinsterte sich. Ohne ein Wort zu sagen schrie sein Gesichtsausdruck: "DU BLÖDER IDIOT!!!"
Seine Hand ballte sich zur Faust, hob sich am gestreckten Arm zu dem Mann in schwarz. Der Zeigefinger schnappte
wie bei einem Springmeßer hervor und zeigte auf einen verstaubten Zettel der an der Kasse hing.
Dort stand:
"Alle mitgebrachten Waren und Werkzeuge müssen vor dem Betreten des Schrottplatzes angemeldet werden.
Die Rückgabe von selbstausgebauten Ersatzteilen ist nur am selben Tage und unter vorlage des Kassenzettels möglich!"
Außerdem stand dort noch eine menge belangloser im Grunde selbstverständlicher Dinge, wie etwa über daß das ausbauen
von Altteilen auf eigene Gefahr geschieht. Während der Mann in Schwarz nun diese Notiz zur Notiz nahm bildete sich langsam
eine Schlange hinter ihm. Um sich zu vergewissern fragte er den Kassierer:
"Ich verstehe das richtig? Die Antwort auf meine zuvor gestellt Frage lautet: Ja?"
Hrrrmmmm.... brummte der Kassierer und nickte mit zusammen gebissenen Zähnen, krallte sich den Zehner von der Theke
und stopfte ihn wortlos in die Kasse. Dann riss er den Kassenzettel ab und reichte ihm dem Mann in Schwarz stumm mit
einem wütendem glühen in den Augen. Warum müssen diese Idioten immer nur kommen wenn *ICH* Kassendienst habe ?!?!?!?!???
Viel lieber wäre er Stundenlang im Lager verschwunden um ein sehr seltenes ganz spezielles Teil zu suchen, von dem
nur Er wußte wo es wahr. Aber die Jobs rotierten, damit jeder den anderen zur Urlaubszeit oder im Krankheitsfall ersetzen konnte.
"Warum Sagen Sie das dann nicht gleich ?" Fragte der Mann in Schwarz.
Wissen Sie was ? Behalten Sie Ihren Scheiss!!!
Wenn ich das nächste mal komme, erwarte ich eine etwas freundlichere Behandlung von Ihnen.
Ein nicht unerheblicher Ton von Arroganz und Geringschätzung lag dabei in seiner Stimme.
Das Ersatzteil lag noch auf dem Tresen und der Zehner in der Kasse.
Nur mit dem Kassenzettel verliess der Mann in Schwarz den Schrottplatz durch den anderen Ausgang.
"Schwachmat!"
Dachte sich der Kassierer und ließ die Kassenschublade mit einem lauten "RUMMS!" zufallen.
"Leicht verdientes Geld"
grinste er zum nächsten Kunden, während er das Ersatzteil vom Tresen nahm und im Regal an der Wand verstaute.
Der Tag verging, und als es dunkel wurde schloss der Schrottplatz seine Pforten, wie jeden Tag. Die Hunde wurden
los gelassen und patrouillierten die Nacht über auf dem Gelände. Kurz nach Sonnenaufgang öffnete der Schrottplatz
erneut und der Mann an der Kasse stand mit einem großen Becher Kaffee wieder an seinem Platz. Er sah auf den Kalender
und dachte dachte sich "Endlich Freitag" und wartete auf Kundschaft.
Als er Mittags immer noch auf Kundschaft wartete hatte seine Laune ihren Höhepunkt. Bisher war noch kein einziger Kunde
durch seine heiligen Hallen geschritten. Sehr ungewöhnlich, aber solche Tage gab es eben. Vielleicht war Fußball, oder
Michael Jackson oder irgend ein anderer Idiot war in der Stadt. Ein Feiertag war nicht, das hatte er extra im Kalender nachgesehen.
Allen seinen Kollegen kam das zwar ein bißchen merkwürdig vor, aber auf einem so großen Schrottplatz gab es immer etwas
zu tun. Die Arbeiter sortierten und zerlegten die Autos und Ersatzteile, die Lagerleute ordneten und füllten das Lager,
das Kassenpersonal... nun.. sie spielten Minesweeper, oder durchstreiften das Internet, oder was man sonst so eben tut
wenn man nichts zu tun hat. Am nächsten Tag war Samstag, da kommen immer die ganzen Hobby Bastler, es würde morgen
bei weitem genug zu tun geben, also lieber die Pause heute geniessen.
Als die Situation sich aber auch am darauf folgenden Tag nicht änderte, wurde die Sache doch langsam unheimlich.
Den gesamten Freitag über war nicht ein einziger Kunde erschienen. Niemand sah sich die Gebrauchtwagen an und
niemand brachte sein Auto zum Verkauf. Nicht mal in den Hauseigenen Imbiss kamen wie sonst zur Mittagszeit die
Trucker von der nahegelegenen Bundesstraße. Der ganze Platz war wie ausgestorben. Der Samstag ging vorbei,
die Tore wurden geschlossen und die Hunde freigelassen. Die Videokameras zeichneten bis Montag morgen auch
keine einzige Bewegung außer dem Sonnenuntergang und der Bewegung der Wolken auf. Normalerweise wäre dies
für den Chef ein Grund zur Freude gewesen, immerhin kein Einbruch. Aber dieses mal schaltete er die Anlage mit
etwas gemischten Gefühlen aus. Etwas war faul im Staate Dänemark.
Als er am Montag Abend die Tore schloss sprach er mit Knut und Gerd, den zwei Kraftpaketen die für Ordnung sorgten
wenn die Dinge mal nicht ganz so rund liefen wie sonst. Niemand hatte irgend eine fremde Seele auf dem Platz gesehen.
Außer den Mitarbeitern kam nur der Postbote. Weil die beiden nichts zu tun hatten, hatte er sie losgeschickt um die Umgebung
zu erkunden. Aber es gab keine Baustelle die etwa die Zufahrt zum Schrottplatz erschwert oder gar verhindert hätte.
Kein Fussballspiel oder sonstiges Ereignis lenkte die Aufmerksamkeit oder hätte erklären können warum niemand kam.
Die Firma lief gut, war finanziell unabhängig. Ein Ergebnis seiner guten Geschäftsführung in den vergangenen Jahren.
Aber noch so ein paar Tage konnten das schnell ändern. Als auch am Dienstag noch kein einziger Kunde kam, dachte
er das erste mal sein vielen Jahren wieder an Entlassungen. Auf wen könnte man am ehesten verzichten, und woran
zum Teufel noch mal lag es das niemand kam ?
Am Mittwoch sprach er mit den Medien, die Fernsehfritzen wollten doch schon lange eine Reportage über den größten
Schrottplatz Europas drehen. Aber das Fernsehen war nicht interessiert, und als er erwähnte das sein fast einer Woche
kein einziger Kunde gekommen wäre, wunderte sich der zuständige Redakteur zwar kurz, schenkte dem jedoch
keinerlei Beachtung. Was die Leute nicht alles erzählen um kostenlose Werbung für Ihre Firma zu bekommen...
Es gab größere Fische zu fangen. Im Süden sollte ein Atomreaktor komplett demontiert und abtransportiert werden.
Alle Filmteams mussten Zeitgleich vor Ort sein, grosse Dinge die über Land transportiert wurden verkauften sich immer
gut an die Zielgruppe!
Am Donnerstag stand der Mann an der Kasse wieder an der Kasse. Im Lager gab es nichts zu tun. Alle Regale
waren voll und Bestellungen lagen keine vor. Wie auch? Es klingelte ja nicht mal das Telefon. Keine e-Mail,
auch keine Bestellung per Post. Man schob zwar keine Langeweile, aber alle arbeiteten jetzt ein wenig langsamer.
Er blätterte gerade in der Zeitung als der Mann in Schwarz plötzlich wieder vor ihm stand.
Er kam nicht durch einen der Ein- und Ausgänge er war einfach da, wie aus dem Nichts erschienen.
Diesmal trug er kein schwarzes T-Shirt, sondern ein Blutrotes Hemd, dazu eine Schwarze Kravatte und ein ebenso
schwarzes Jackett und schwarze Hosen.
Haben Sie sich gut erholt ?
Fragte er.
Der Kassierer blickte müde von seiner Zeitung auf. War da einer ?
Dann erschrak er kurz, als er den Mann in Schwarz direkt vor seiner Nasenspitze sah, nur einen Fingerbreit entfernt.
Das ist doch...?!? Der Schwachmat von letzter Woche! Einer der letzten Kunden die ihn in seiner Ruhe gestört hatten!
Überhaupt! Einer der letzten Kunden generell !
Mit weit aufgerissenen Augen blickte er sich um. Knut und Gerd standen rauchend vor dem Eingang.
Augenblicklich fühlte er sich ein bißchen besser. Knut konnte einen Motorblock mit bloßen Händen fast drei Meter
durch die Luft schleudern und Gerd... nunja, er hatte nie ein Fitness-Studio von innen gesehen, aber er war einer
dieser Menschen die das auch nicht brauchten. Fast zwei Meter groß, eine Figur wie ein Bär und Kraft wie ein Bulldozer.
Da spielte es keine Rolle, das er einen großen Bierbauch vor sich her trug. Seine zwei nackten Oberarme hingen
bedrohlich von seinen Schultern herab.
Wissen Sie, ich habe mich gefragt, ob Sie mein Ersatzteil wohl schon weggeschmissen oder einsortiert haben, aber wie
ich sehe liegt es immer noch dort im Regal. Was meinen Sie, wenn ich es jetzt mitnehme und ausprobiere, kann ich es
dann zurückbringen und umtauschen wenn es nicht paßt ?
Sagte der Mann im schwarzen Anzug in einem so freundlichen Tonfall, das dabei Rosenblätter aus seinem Arschloch kamen.
Ja, ähh ,na klar, ähh...
Sagte der Kassierer etwas irritiert.
Konnte das sein? Konnte dieser Knilch...? Aber wie sollte das gehen ?
Nein, was für ein Quatsch. Wie sollte das gehen ? Niemand kann so einfach die zahlende Kundschaft fernhalten... öhh .. oder?
Er nahm das teil aus dem Regal und legte es auf den Tresen.
Wo waren Knut und Gerd doch gleich?
Na, sehen Sie.
Ich wusste doch, das ein wenig Erholung bei Ihnen Wunder bewirken kann.
Haben Sie recht vielen Dank, ich wünsche Ihnen noch ein schönes Leben.
Sprach es, nahm sein Teil und bewegte sich gemäßigten Schrittes in Richtung Ausgang.
Direkt auf Knut und Gerd zu die aus geraucht hatten und nun in die Halle kamen.
Knut hatte zuvor bei diversen Sicherheitsunternehmen gearbeitet und fand immer noch leicht Jobs als Türsteher und Rausschmeisser.
Deshalb sah er sofort die Angst in den Augen des Kassierers und als dieser dann auch noch mit dem Finger
auf den Mann im schwarzen Anzug zeigte bildeten er und Gerd sofort eine menschliche Mauer.
Den Mann in Schwarz beeindruckte das nicht sehr. Er nickte kurz während er sich auf die beiden hinzu bewegte
und grüßte freundlich "Guten Tag, die Herren".
Weder Knut noch Gerd erwiderten den Gruß.
Ahh, die Gentleman vom Sicherheitspersonal.
Meine Herren, Sie haben keinen Grund zur Veranlassung. Sehen Sie hier ? Dies ist mein Kassenbon für dieses Teil.
Wenn Sie mich nun bitte passieren lassen würden.... ?
Aber Knut und Gerd dachten nicht daran den Weg frei zu geben. Hier stimmt doch etwas nicht. Seit einer Woche kein Kunde
und nun jagt dieser Knülch dem Kassenaffen so eine Scheissangst ein ?
"Do blaiebst hier!"
Brummte Gerd und packte den Mann in schwarz an der Schulter.
Aber nur kurz.
Ein jäher Schmerz durchzuckte seinen starken Arm, kaum das er den Anzugträger berührte.
"Das hätten Sie wohl besser nicht getan."
Sagte dieser mit einem dunklen, schwer angepissten Ton in der Stimme.
Gerd stöhnte und sackte auf die Knie.
Die Haut auf seinem Arm wurde erst glänzend schwarz dann blutrot. Schliesslich lösste sie sich von seinem Arm und viel
platschend auf den steinernen Boden. Der gewaltige Muskel lag jetzt frei sichtbar, begann sich aber auch schon aufzulösen.
Nur viel schneller. Der ganze Arm, bis hoch zur Schulter, löste sich in eine breiige rote masse auf und tropfte neben Gerd auf
den Beton, während dieser mehr vor Entsetzen als vor Schmerzen schreiend wie am Spies sich auf dem Boden knieend
das Schauspiel seines eigenen Körpers ansah. Dem Fleisch folgten die Knochen und dann war es vorbei. Dort wo eine
blutende Wunde hätte sein müssen war nur schwarz rot verbrannte Haut, Muskel, Sehnen und Knochen.
Knut machte Platz so viel er konnte. Er ging zurück bis an die Wand und der Mann im schwarzen Anzug schritt wortlos an
ihm vorbei. In der Tür drehte er sich noch einmal um und rief: Na, dann wollen wir mal sehen ob's passt, nä?
Der Mann an der Kasse blickte auf den Überwachungsmonitor, der den Parkplatz zeigt. Oft konnte man hier sehen wie
Kunden illegal ihr Altöl oder Schrotteile entsorgen wollten. Dann schritten meist Knut und Gerd ein. Dieses mal aber war
der Parkplatz vollkommen leer, wie schon die ganze Woche. Eigentlich wie seit letzten Donnerstag Nachmittag.
Und er war nicht ganz leer, nur ein einziges rotes Auto mit einem Zeichen auf der Motorhaube stand einsam und verlassen
dort und er sah wie der Mann in schwarz mit seinem Ersatzteil am Kofferraum seines Wagens hantierte.
Er versuchte es einmal, ein zweites mal... aber es passte nicht
"SCHEISSE!
SCHEISSE, SCHEISSE, SCHEISSE!!
ES PASST NICHT!! DAS SCHEISSTEIL PASST NICHT IN SEIN VERFICKTES AUTO!!! ER KOMMT ZURÜCK!!!"
Der Mann in schwarz kratzte sich am Kopf, blickte in den Kofferraum und dann auf sein Ersatzteil.
Dann versuchte er es erneut, und dieses mal passte es.
Zufrieden schloss er den Kofferraum seines Wagens und fuhr fort.
Man sagt seit diesem Tage, wäre nie mehr wieder ein Kunde auf jenem Schrottplatz in Norderstedt ruppig, oder gar
unfreundlich behandelt worden. Darum merke: Sei immer nett und freundlich zu Deinen Mitmenschen, insbesonder zu Kunden.
Schliesslich weiß man nie wen man vor sich hat.
zum Anfang der Seite
zurück zur Homepage