Dieser Urlaub begann, wie alle guten Dinge, recht spontan.
Voraus ging eine vielleicht zweimonatige Internetfreundschaft zu Hülya, die ich
über das ICQ-Netzwerk kennengelernt habe. Was mir damals nicht bewusst war,
oder was ich wahrscheinlich auch nicht hätte wahrhaben wollen, ist daß Hülya
ziemlich gezielt nach einem deutschen Mann zum Heiraten suchte.
Hülya war in Deutschland geboren und aufgewachsen, dann hatten ihre Eltern
aufgehört zu arbeiten und die ganze Familie war in die Türkei zurück gezogen.
Hülya hatte in der Türkei pflichtschuldigst geheiratet und zwei Töchter bekommen.
Das allerdings, hat sie mir verschwiegen, als wir uns kennenlernten. Aber davon
später mehr.
Auf ICQ verstanden wir uns auf anhieb gut. Und so fragte ich sie irgendwann im
laufe einer Chatsitzung, ob sie mich herumführen würde, wenn ich einmal in die
Türkei käme. Natürlich wollte sie. Und so nahm ich mir Urlaub, buchte den Flug,
und die Reise begann.
Außer den üblichen Dingen packte ich noch die Adresse der deutschen Botschaft
In Izmir in meinen Koffer, sowie mein neu erworbenes Einhand-Klappmesser.
Wohlgemerkt, daß war vor dem 11. September 2001. Heute würde ich wohl erst
sechs Stunden vom deutschen Zoll verhört werden und dann nochmal sechs Stunden
in der Türkei, mit gelegentlichem ersäufen und elektroschocken. Nur um sicher
zu gehen, daß ich auch die Wahrheit sage.
Damals im März 2000 reichte es vollkommen das Messer im Koffer zu verstauen.
Beim durchleuchten musste ich es herausnehmen und vorzeigen. Der Zöllner hat
nur einmal kurz die Augenbraue gehoben und mich dann passieren lassen.
Das wars mit dem Koffer einchecken.
Ein kleines bischen aufregender wurde es dann schon, als *ich* durch die
Sicherheitsschleuse ging. Auf dem Weg dorthin traf ich noch einen Kollegen
aus der Finanzbehörde mit seiner Frau.. oder so.. naja, spielt ja auch keine
rolle. Jedenfalls waren wir alle guter Dinge und heftig in Urlaubsstimmung.
Er ging vor mir durch den Metalldetektor und als wir beide durch waren,
sagte ich so aus Flachs:
„Na, alle Waffen, Drogen und Schmuggelwaren gut durchbekommen?“
*DAS* hörte dann auch die gar nicht so nette Bundesgrenzschutzbeamtin!
Und die fand das *GAR-NICHT* mal so komisch, wie ich es eigentlich gemeint
hatte. Kein Humor dieses Volk.. die Hand an der Waffe grummelte sie ein
Gorillamäßiges „Androhung einer Ordnungshaftstrafendingsbums“ oder sowas,
also.. das hätte sie doch auch netter sagen können, oder ?
Naja, wie gesagt.. die hatte wohl ihre gute Laune im Spint vergessen.
Hat mich auch nicht daran gehindert dem Kollegen etwas Dope anzubieten,
als wir auf den Flieger gewartet haben. Also, nicht das ich was dabei gehabt
hätte, aber nach dem Brüllaffen tat etwas Auflockerung not.
Die beiden flogen glaube ich nach Frankreich, deshalb trennten sich hier
unsere wege.
Meine Maschine von Ögertours ließ nicht lange auf sich warten.
Beim Einstieg erwartete mich wieder eine Überraschung. Das fliegen mit
Lufthansa, Hapag-Loyd und Air Berlin bin ich ja mittlerweile gewohnt, daß ist
bald so wie Busfahren. Aber Öger Tours hat da echtes Orient feeling verbreitet.
Erstmal saßen fast nur Türken, oder sagen wir mal Südländer in der Maschine,
so daß schon ein Sprachenwirrwar wie auf dem türkischen Basar durch die
Maschine waberte. Aber als dann auch noch die Begrüßung erst in Türkisch, dann
auf Englisch und nach einer vielleicht fünfminütigen Pause sogar in Deutsch (!)
kam, war ich doch schon angenehm überrascht. Das nenne ich Urlaubsflair, wenn
Du schon beim Abflug das Gefühl hast, weit weit weg zu sein. Das dann noch beim
Start die Cockpit Tür offen hin und herschlang setzte dem ganzen noch die Krone
auf.
Ansonsten war alles wie immer, das Essen mies, die Gesellschaft lästig und die
Aussicht fantastisch. Ich muss sagen, ich fühlte mich damals die ganze Zeit wie
Indiana Jones! Fehlte nur noch Hut und Peitsche. Aber aus irgendeinem Grund
hatte ich den Hut in Hamburg gelassen und eine Peitsche habe ich nie gebraucht.
Bei meiner Ankunft in Izmir lernte ich dann noch etwas neues. Die Öger Tours
Maschinen sind entweder wesentlich schwerer beladen, oder robuster gebaut
weil die Piloten hier etwas raubeiniger sind. Denn die Maschine setzte mit
einem kraftvollen RUMPS! auf türkischem Boden auf. Vielleicht fährt der Pilot
auch einen 3’er BMW ? Ich habs auf jedenfall deutlich in meiner Wirbelsäule
knacken gehört. Jetzt weiss ich auch endlich wozu die Kissen bei Notlandungen
verteilt werden.
Während auf meinen Flügen nach Malaga, wo meine Eltern ihr Winterquartier
aufgeschlagen haben, nur noch vereinzelt applaudiert wurde, waren die Türken
noch voll bei der Sache. Der Mann neben mir, vielleicht anfang sechzig und
doppelt so schwer wie ich bei geringerer größe, war vollkommen entsetzt.
Ja fast erzürnt, daß ich nicht klatschen wollte. Naja, egal.
Aussteigen, Koffer greifen, den Pass gezückt und ab durch die Grenzkontrolle.
Hamburg, London, Malaga.. überall gucken die Grenzer ernst aber sachlich.
Hier in Izmir können die Grenzer allein mit ihren Blicken töten!
Kein Gedanke an einen kleinen Witz, naja, ist ja sonst auch keiner da der meine
Sprache sprechen würde.
Nachdem der Grenzbeamte mir streng und ernst bei der Passkontrolle tief in die
Augen und damit in die Abgründe meiner Seele geblickt hat, lässt er mich
passieren. Ich habe weder Hut noch Peitsche gebraucht und fühle mich wieder
wie Indiana Jones! Alles was ich jetzt noch tun muss, ist das Taxi zu finden,
daß Hülya für mich organisiert hat um ins Hotel zu kommen, was sie ebenfalls
für mich arrangiert hat. Ich war schon mächtig froh, daß ich mich darum nicht
hatte kümmern müssen. Die Türken sind schon hier in Deutschland manchmal
schlecht zu verstehen, aber dann auch noch auf Englisch, per Telefon ?
Für einen internationalen Flughafen wirkt der von Izmir überraschend klein, ja
fast eng. Aber alles hat seinen Platz und man findet sich hervorragend zurecht.
Und so steuere ich Zielsicher auf den Ausgang zu, als vor die undurchsichtigen
Glasschiebetüren automatisch auseinandergleiten. Ein dutzend kleiner Männer
mit selbstgemalten Pappschildern steht im halbkreis vor mir in diesem licht
durchfluteten Raum. Man kennt das ja von anderen Flughäfen, da stehen die
einfach nur im Weg. Aber jetzt ? So viele Namen, aber keiner ist meiner.
BARKS… sollte das meiner sein ? Offensichtlich hatte Hülya dem Taxifahrer nur
meinen Internetnamen genannt. Der lautet zwar Blarks, aber der hier ist
zumindest am dichtesten dran. Mal sehen wo das mich hinführt.