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  •                                                             Kapitel 6:

                                                      "Heute kein Fleisch"


    Als ich auf meiner polierten Stahlplatte durch das dunkle Loch am Ende
    des Raumes glitt, hatte ich mit dem schlimmsten gerechnet. Ein Fleischwolf
    der mich zu Hack verarbeitet, oder schlimmeres. Aber was jetzt geschah, damit
    hatte ich nun überhaupt nicht gerechnet.

    Die Stahlplatten verwandelten sich in OP-Tische mit Rädern. Leute in grauen
    Arbeitskitteln kamen und fuhren jeden Tisch einzeln durch einen großen Saal.
    Ein alter Mann, vielleicht mitte sechszig, hielt ein vielleicht Rasierapparat großes
    leuchtendes Ding dicht an meinen Kopf und führte es darum herum. Der Schmerz
    verschwand augenblicklich. Und seit diesem Tag wachsen auch wieder Haare dort,
    wo sonst mein Hubschrauber-Landeplatz war.

    "Es ist alles in Ordnung, mach Dir keine Sorgen."
    sagte der Mann mit einer fast väterlich beruhigenden Stimme.

    "Wir haben heute den ganzen Tag fast nur Arbeiter geholt, Du wirst wahrscheinlich
    auch am Leben bleiben. Besonders nach Deinem Auftritt in der Ankunftshalle."

    Ähh, ich bin aber Angestellter, schoss es mir spontan durch den Kopf,
    der nach dieser wundersamen Heilung wieder perfekt funktionierte. Auch meine
    Stimmung war auf einmal wieder wesentlich besser. Doch ich hielt besser meinen
    Mund. Wer weiss, ob der alte Knacker nicht auch so eine Keule in der Tasche hatte.

    Aber er blieb weiter freundlich und begann zu erzählen.
    "Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt! So sagt man doch.
    Wenn ich nicht schon so alt wäre, dann hätte ich dem auch schon längst in den Arsch
    getreten. Aber... naja, was soll man machen..."

    Sprachs, und erhob sich müde von seinem Hocker und gab dabei den Blick auf seine
    stählerne Unterschenkelprothese frei. Er humpelte zu einem Regal, daß von der Decke
    heruntergelassen worden war, und nahm ein paar sandfarbene Kleidungsstücke heraus.

    Während er das tat, setzte ich mich auf und ließ meinen Blick durch den Raum der groß
    wie ein Flugzeughangar war umherschweifen. Das Fließband transportierte immer noch
    fleißig Leute aus der Ankunftshalle in diesen Raum. Immer noch war ich der einzige Neuzugang
    der wach war. Und jeder wurde von einem entweder alten oder sehr schwach wirkenden
    Menschen in einem grauen Arbeitskittel auf seinem Tisch durch die Gegend gerollt und mit
    einem leuchtenden Rasierer offenbar nach medizinischen Defekten gescannt und versorgt,
    so wie ich. Danach schoben sie die Tische zu einem Ausgang, der durch eine große gelbe
    Wandbemalung markiert war die von innen heraus zu leuchten schien. Ansonsten schien der
    Raum fast unbeleuchtet, abgesehen von einem sehr hellem Punkt der über jedem Tisch zu
    schweben schien. Ich dachte dabei an Halogenstrahler, wie auf meinem Klo. Aber diese
    Lichtquellen waren nirgends festgemacht. Sah toll aus. Eigenartig, wie man in so einer
    Situation an Einrichtungsfragen denken kann.

    So gemütlich war dieser Raum, trotz der Größe, jedoch nicht. Ein eigenartiger sehr muffiger,
    ja fast fauliger Geruch hing schwer in der Luft und raubte einem fast den Atem sofern man
    klar bei Verstand war. Der Boden schien hier aus braunem oder schwarzem Schlamm zu bestehen.
    Etwa so wie in der verkrusteten Vorhalle, nur viel schlimmer.

    Neben dem Regal hing sowas wie ein großer Fernseher, nur ohne Fernseher. Das Bild
    schien frei im Raum zu schweben. Okay, wer den Materie-Energie-Transport hinbekommt,
    der sollte auch mit einem ordinären Hologramm eigentlich auch keinerlei schwierigkeiten haben.
    Der "Fernseher" zeigte vier einzelbilder auf denen jeweils Fließbänder zu sehen waren, die
    schlafende Menschen transportierten.

    "Können Sie mir sagen, was hier los ist? Was geschieht mit all diesen Leuten?
    Warum bin ich hier?", wagte ich einen Versuch ein bischen Licht ins Dunkel zu bringen.

    "Ahh! Er spricht!"

    "Ja, jetzt gehts wieder. Nach dem Knüppelschlag hätte ich da auch nicht mehr mit gerechnet." sagte ich.

    "Du hast Glück, ich glaube er mag Dich, normalerweise schießt er Leute die wach rüberkommen
    gleich über den Haufen. Hmm.. andererseits haben die auch alle was angehabt. Hier hast Du erstmal
    ein paar Klamotten. Die Stiefel habe ich gestern einem Soldaten abgenommen, der in etwa Deine
    Größe hatte probier mal ob sie Dir passen."

    "Abgenommen? Wieso, was ist denn mit dem Mann passiert?"

    "Hmmm...", brummte er gedankenversonnen vor sich hin,
    dann sagte er: "Er braucht sie jetzt nicht mehr."

    "Ist er tot?"

    "Sieh mal auf den Boden hier, das ist kein Sand. Das ist alles getrocknetes Blut.
    Wenn sie Sklaven brauchen schicken sie uns, wenn sie Fleisch brauchen, kommen die
    in den grauen Regenmänteln. Kein schöner Anblick, wenn das geschieht.

    "Uäähh.. Kanibalen?!"

    "Das könnte man sagen, wenn es Menschen w.. AAAAAAAAAAARRRRRGH!"

    Mit einem markerschütterndem Schmerzensschrei krümmte er sich mit einem mal auf dem Boden.
    Niemand sonst nahm davon Notiz. Er lag auf dem Boden, schrieh wie am Spieß, strampelte mit den
    Beinen und hielt sich dabei den Kopf, so als ob die Schmerzen von dort ausgingen.

    Nach einem schrecklich langem Augenblick hörte er auf und ein seufzen ging durch den Raum.
    Aber sonst reagierte niemand von den bestimmt 20 oder 30 Leuten die sich hier aufhielten.
    Als ich meine Hand an seine Halsschlagader legte, konnte ich spüren wie sein Herz schnell
    und kräftig schlug. Irgendwie rechnete ich damit, das jetzt irgendwer angerannt käme. Aber
    es geschah überhaupt nichts.

    "EEEYYYY!!! Seid Ihr alle taub !!???" rief ich, aber niemand reagierte.
    Man sah nicht einmal in meine Richtung.
    Ich sah mir den Alten ein bischen genauer an und bemerkte, daß irgend etwas sehr dünnes
    metallisches in seinem spärlichen dürren Haupthaar steckte. In etwa ähnlich einer Haarnadel,
    aber es ließ sich nicht entfernen.

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